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Kaum ein Land besticht durch seine Gegensätze wie Kambodscha. Bis vor wenigen Jahren noch von Bürgerkriegen geplagt, zählt das kleine Land in Südostasien noch immer zu den ärmsten der Welt. Diesem Elend gegenüber stehen einzigartige Wunderwerke jahrhundertealter Kulturen wie die Tempel von Angkor Wat. Zwischen bombastischen Bauwerken und ärmlichem Alltag offenbart sich dem Besucher eine faszinierende Welt.

Bootsfahrt Tonle Sap

Nach 11 Stunden Flug landen wir um 6 Uhr am Flughafen von Bangkok. Die ungewohnte Hitze zu früher Stunde gepaart mit Luftfeuchtigkeit, Müdigkeit und dem Smog der Metropole machen einem sogar auf den wenigen Metern vom Terminal zum Transferbus zu schaffen. Vor uns liegen noch etliche Kilometer bis zu unserer ersten Station in Kambodscha, Siem Reap. Am Highway, der uns vom Flughafen Richtung Süden führt, sammle ich erste Eindrücke der mir bis dato vollkommen fremden Kultur Südostasiens. Am Rand der vierspurigen Schnellstraße die bereits in den Morgenstunden dicht befahren ist, grüßen Buddhas die Reisenden.

Je näher wir der Grenze kommen, desto weiter entfernt sich die westliche Welt, von der Bangkok schon beherrscht wird, von uns. Die Autos, zuerst noch europäischer Standard, werden immer älter und zweckdienlicher. Die Pick ups, auf deren Ladeflächen ganze Familien transportiert werden, nehmen zu, ebenso die Mopeds. Mit zunehmender Sorge bemerke ich, dass der Mundschutz hier zum Alltag zu gehören zu scheint. Mist, auf die Impfungen habe ich vornehm verzichtet. Unsere Reiseleiterin klärt mich auf, dass der Mundschutz weniger dazu dient keine Krankheiten aufzuschnappen als vielmehr keine zu verbreiten.

Abenteuerlicher Grenzübertritt in Poipet

Der Grenzübertritt von Thailand nach Kambodscha erfolgt zu Fuß. Autoverkehr zwischen den beiden Staaten ist nicht erlaubt. Auch heute noch können sich Khmer, so der Name des Volksstammes Kambodschas, und Thai nicht ausstehen. Um den Tempel Preah Vihear im Grenzgebiet wird noch immer gestritten, Scharmützel an der Grenze sind keine Seltenheit. Erlebt man das bunte Treiben aus Karren, Ständen und Mopeds das sich in der Grenzstadt Poipet abspielt vom Bus aus noch mit Belustigung, beschleicht einen nach dem Aussteigen ein ungutes Gefühl. Es stinkt nach einer Mischung aus verdorbenem Essen, altem Fisch und Urin. Die Übermüdung und die fremde Umgebung zwischen diesen behelfsmäßig zusammengebastelten Unterkünften und Verkaufsständen lassen so manches Lachen auf den Gesichtern unserer Reisegruppe ersterben. Direkt mit der Armut konfrontiert zu werden ist kein schöner Start in den Urlaub. Unser Reiseleiter übergibt unsere Reisepässe mit jeweils 20 Dollar darin einem Unbekannten der sie zu den Grenzbeamten bringt. Ein Teil des Geldes ist für den Grenzübertritt, ein Teil Schmiergeld um lange Wartezeiten zu vermeiden. Unser Gepäck wird auf Karren verteilt und verschwindet aus unserer Sicht. Ohne Koffer und Pass fühle ich mich ausgeliefert, ich hoffe dass alles gut geht. Als ein kleines Mädchen, schmutzig und ohne Schuhe, mit einem Baby im Arm das ausschaut als wäre es bewusstlos an uns herantritt und zu betteln beginnt, kann ich sehen wie sich die Beklemmung am Gesicht meiner Frau abzeichnet. Ich gebe dem Kind einen Dollar und bin froh als ich den Anblick des elenden Geschöpfs os bin. Später wird mir unser Reiseleiter erzählen dass die Babys um möglichst Mitleid erregend zu sein mit Alkohol betäubt werden.

Nach umständlichem Prozedere befinden wir uns auf der kambodschanischen Seite Poipets. In den letzten 5 Jahren hat hier rege Bautätigkeit eingesetzt. Da in Thailand Glücksspielverbot herrscht, machen sich betuchte Thailänder am Wochenende auf um beim Nachbarn Glück und Vergnügen zu finden. Poipet, das Las Vegas Südostasiens, Glamour exklusive!

Auf der vierstündigen Busfahrt von Poipet zu unserem Hotel nach Siem Reap bekomme ich einen ersten Eindruck von dem was mich in den nächsten Tagen erwarten wird. Die Siedlungen entlang der Hauptstrasse muten wie ostasiatische Wild West Städtchen an. Entlang den Hauptverkehrswegen schließen sich Häuser, Buden, Baracken, Tempel, Geschäfte und Stände zu Dörfern zusammen. Die Reisfelder sind allgegenwärtig im flachen Gelände. Im Nordwesten ist das Land gebirgiger. Hier gibt es Tiger, Elefanten, Nashörner und Affen. Dieser Landstrich ist noch nicht erschlossen, es gibt noch Stämme in den Bergen die von der Zivilisation noch gänzlich unberührt sind. Schade dass uns unsere Reise nicht auch hierhin führt.

Moped Kambodscha

Das Verkehrstreiben auf den Straßen ist ein bunt zusammengewürfeltes Etwas aus Mopeds, Viehwagen, Autos und selbst gebastelten Vehikeln. Unser Reiseleiter erklärt den wenigen im Bus die noch nicht eingenickt sind, dass es in Kambodscha üblich ist, bis zu 5 Personen per Moped zu transportieren. Vater, Mutter plus 3 Kinder, der Großteil davon ohne Helm sind Usus. Die Mopeds werden für diesen Zweck extra ein wenig breiter gebaut. Bahngleise sieht man keine, das hat den einfachen Grund dass es sie nicht gibt. Die einzige Bahnlinie Kambodschas ist momentan nicht in Betrieb. Die Menschen befahren die Gleise mit selbstgebauten sogenannten Bamboo Trains, kleinen Vehikeln die mit Motoren ausgestattet sind und genau auf die Gleise passen. Not macht erfinderisch.

Siem Reap – zwischen Tempeln und Pubstreet

Siem Reap ist Kambodscha für Europäer. Dank der Nähe zu den berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat und Angkor Thom hat sich die Stadt zu Kambodschas Touristenzentrum gemausert. Die Hotels sind neu gebaut, der Service ist ansprechend. Man merkt hier die asiatische Grundfreundlichkeit, alles scheint noch rein und unverdorben. Personalkosten müssen gering sein, die menschliche Arbeitskraft ist in Südostasien anders als in Europa noch günstig zu haben. Ein Türsteher schenkt jedem Gast die traditionelle Verbeugung. An der Rezeption stehen sich rund um die Uhr zwei bis drei Angestellte die Beine in den Bauch.

Um mich ein wenig zu orientieren schnüre ich mir nach dem Einchecken die Laufschuhe und mache mich auf, die Stadt zu erkunden. Neugebaute Häuser und Baracken, Geschäfte und Märkte, dazwischen ein modernes Einkaufszentrum. Vor einigen der Buden wird Gegrilltes angeboten. Tankstellen gibt es keine, Benzin wird direkt neben der Straße in Flaschen abgefüllt verkauft. Der Polizeistation merkt man noch die Vergangenheit als Amtsgebäude der französischen Kolonialmacht an. Die Strassen sind teils gut, teils nur geplättete Staubpisten. Auf der Hauptstraße wirbelt der Verkehr bestehend aus einigen Autos, vielen Mopeds und noch viel mehr Radfahrern Staub auf. Überall warten Tuk Tuk Taxis, Mopeds mit Anhänger für 4 Personen, auf Kundschaft. Knapp außerhalb des Zentrums befindet sich das Künstlerviertel. Vor den Hütten werden kitschige Bilder der Tempel, der Reisfelder und der typischen Pfahlbauten am Tonle Sap angeboten

Ich errege als Europäer mit 1,86 m in roten Laufschuhen und Laufdress unter den kleinen und dunkelhäutigen Asiaten gehörig Aufmerksamkeit. So muss es sein wenn ein Kambodschaner auf einem Elefanten durch Innsbruck reitet. Die Haltung den Fremden gegenüber ist eine aufgeschlossene und überaus freundliche. Die Kinder winken mir begeistert zu und lachen mich an, oder aus, je nachdem wie man es sehen will. Ich passiere ein buddhistisches Kloster. Auch die orange gekleideten Mönche starren mich an. Nach einer halben Stunde in der Hitze und einem gefühlten Flüssigkeitsverlust von 5 Litern komme ich ziemlich entkräftet im Hotel an.

Essen Kambodscha

Bevor wir abends endgültig erschöpft ins Bett fallen, machen sich meine Frau und ich auf den Weg zum Wasserfest ins Stadtzentrum. Die Kambodschaner feiern jährlich Anfang November das Ende der Regenzeit und den beginnenden Rückgang des großen Sees Tonle Sap, der der Region zwar fruchtbare Erde, aber eben auch eine lange erntelose Zeit beschert. Eine Legende besagt, dass das Wasserfest auch zu Ehren von Jayavarman VII, dem größten Herrscher des Angkor Reiches gefeiert wird. Er hat Angkor von der Herrschaft der Champa befreit. Die Strassen sind voll von Menschen in ausgelassener Feierlaune. Am Fluss findet ein Bootrennen statt. Trotz des Treibens auf den verstopften Straßen gibt es keine Ungeduld oder Hektik. An Ständen werden Speisen und Getränke angeboten. Als gelernte Europäer lassen wir die Finger vom Fleisch, das bereits seit Stunden in der Sonne liegt. Wie man es aus dem Fernsehen kennt, werden auch Käfer und Kakerlaken angeboten. Nicht wirklich mein Fall. Die Restaurants hingegen bieten guten Standard. Auch wenn die Kellner sich etwas tollpatschig benehmen, sie sind sehr bemüht und stets freundlich. Die Auswahl auf den Speisekarten ist überall auffallend umfangreich, die Preise lächerlich. Ein Abendessen in einem verhältnismäßig schicken Lokal mit frischen Cocktails, Digestiv, Vorspeise und Hauptspeise kommt auf 10-15 $. Das Essen ist hervorragend: Viel Gemüse das nur kurz angebraten wird und knackig auf den Teller kommt. Dazu Reis oder Nudeln. Fleischgerichte werden oft als Suppe serviert. Beim Feuerwerk zu Ehren Jayavarmans lassen wir den ersten Tag in Asien gemütlich ausklingen.

Am nächsten Tag starte ich als Frühaufsteher um halb 7 morgens zu meiner täglichen Laufrunde durch die Stadt. Die Kambodschaner sind auch bereits früh auf den Beinen. Der Verkehr auf der Hauptstraße ist bereits beträchtlich. Trotz der frühen Morgenstunde rinnt mir der Schweiß jetzt schon in Strömen vom Körper. Ich bin froh nach einer Stunde wieder ohne Kreislaufkollaps das Hotel zu erreichen. Als Belohnung wartet im Hotel ein euro-asiatisches Frühstück. Es gibt frisches Gemüse und Obst, allerlei verschiedene, traditionelle kambodschanische Speisen, und frisch auf Wunsch zubereitete Suppen mit Nudeln. Fleisch und Gemüse. Als Alternative kann man auf Croissants, Brot und frisch zubereitete Eierspeise zurückgreifen. Die Chilischoten die ich mir in mein Ei geben lasse, sorgen für den zweiten Schweißausbruch des Tages.

Angkor – Welt der Wunder

Im Bus fährt unsere Gruppe geschlossen nach Angkor um den archäologischen Park mit seinen vielen Anlagen zu besuchen. Der erste Eindruck der Tempel erschlägt den Besucher. Dimension und Größe von Angkor Wat, dem größten der Bauwerke, lassen sich aus der Ferne nicht mal annähernd abschätzen. Aus den Busfenstern sehen wir staunend den Wassergraben und die Mauern die den Tempel umgeben. Das eigentliche Hauptgebäude kann man nur schemenhaft erahnen.

Das gesamte Areal wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Zwar darf in Angkor nicht mehr neu gesiedelt oder gebaut werden, es gibt aber noch immer einfache Dörfer rund um die Tempel. Viele Familien leben noch immer zwischen den Tempeln. Nach der Schule mischen sich die Kinder unter die Touristen und probieren Armbänder, Reiseführer sowie Snacks und Wasser zu verkaufen. Die meisten sprechen sehr gut englisch. Ein Mädchen dem ich um einen Dollar 10 der Armreifen abkaufe, schenkt mir einen handgeschriebenen Brief, in dem Sie mir für meine Großzügigkeit ausschweifend dankt.

Ta Prom Tempel

Der zweite große Teil des Areals ist Angkor Thom. Dieser Komplex wurde Anfang des 13. Jahrhunderts von Jayavarman VII zur Hauptstadt des Königreichs Angkor gemacht. Die Stadtmauern messen 3 x 3 Kilometer. Leider herrscht am Südportal reges Treiben. Ein Foto ohne Autoverkehr wäre zu schön gewesen. Nur wenigen Touristen wird dies in Zukunft möglich sein. Trotzdem ist das Flair des alten Gemäuers faszinierend. Vielen der Steinsoldaten wurden zur Zeit der roten Khmer die Köpfe abgehackt und ins Ausland geschmuggelt. Die Vertreter des grausamen Regimes machte auch vor den letzten Zeugen der eigenen Kultur nicht Halt.

Hinter dem Tor warten emsige Verkäufer bereits mit Reiseführern und Souvenirs auf den Touristenschwarm. Ist man einmal im Areal, hat man vor den Verkäufern Ruhe, sie dürfen wie es scheint nur in gewissen Zonen ihre Waren anbieten. Für 15 $ kann man die Tempel vom Rücken eines Elefanten aus erkunden. Wir begnügen uns damit, die freundlichen Tiere mit Bananen zu füttern.

Elefant Kambodscha

Die einzelnen Gebäude sind beeindruckend. Sie sind die Überbleibsel einer faszinierenden Kultur. Das Königreich Angkor hat über Jahrhunderte den südostasiatischen Raum weit über die Grenzen des heutigen Kambodscha geprägt. Weniger auf Grund des Kriegshandwerks, als vielmehr durch ihre überlegene Zivilisation konnten die Könige von Angkor lange Zeit die Vorherrschaft ausüben. Die Atmosphäre inmitten des Dschungels und Grüns ist, trotz des riesigen Andranges der am Feiertag herrscht, sehr stimmungsvoll. Jeder einzelne Stein wurde bearbeitet und mit Reliefs verziert. Jedes Relief erzählt eine Geschichte vom Ruhm der hinduistischen Götter und der Könige von Angkor, ihren irdischen Vertretern. Faszinierend vor allem dass die Gebäude mit ihren hohen Türmen gänzlich ohne Zement oder anderes Bindemittel gebaut wurde. Sandstein legt sich auf Sandstein, einer fixiert den anderen. Wie verkorkste Indiana Jones Verschnitte kraxeln wir zwischen den Ruinen herum.

Bis die Franzosen Ende des 19. Jahrhunderts Kolonialherrscher von Kambodscha waren, fristeten die Tempelanlagen ein vom Menschen unbeachtetes Dasein. Die Bäume des Dschungels übernahmen das Kommando bis die kulturinteressierten Franzosen mit den Ausgrabungen und Restaurierungen begannen. Im Tempel Ta Prohm schlingen sich noch immer die mächtigen Wurzeln des Dschungels wie riesige Finger um die Steine der Ruinen. Einer der beliebtesten Plätze für die Fotoshootings der Touristen aus aller Welt.

Tempel Angkor Thom

Den Nachmittag widmen wir dem Tempel Angkor Wat. Der Impact den dieser größte noch aktive, sakrale Bau der Welt auf seine Besucher ausübt, ist unbeschreiblich für den der es nicht selbst erlebt hat. Über eine steinerne Brücke die den 200 m breiten Wassergraben quert, gelangt man an die äußeren Mauern innerhalb derer der Hofstaat von 20.000 Menschen lebte. Einige der steinernen Bauten sind noch erhalten, die Holzhäuser wurden vom Zahn der Zeit zernagt. Der eigentliche Tempel der sich nach Passieren der inneren Mauern erstreckt, wurde als Mausoleum für König Suryavarman II. erbaut. Wie die meisten der Tempel symbolisiert auch Angkor Wat den heiligen Berg Kulen auf dem nach Glauben der Hindu die Götter hausen. Der Hinduismus war zu dieser Zeit noch Staatsreligion. Die Reliefs an den Wänden die sich über viele Meter strecken stellen Szenen aus dem Leben des Herrschers, Kriegsszenen und das tägliche Leben der Bewohner der Anlage dar. Eine Armada an Steinmetzen muss die Sandsteine jahrelang bearbeitet haben um diese Kunstwerke zu schaffen. Angkor Wat wurde erst Jahre nach seiner Erbauung, als der Buddhismus den Hinduismus als Staatsreligion ablöste, zum buddhistischen Tempel das es heute noch ist. Bemerkenswert dass diese Religionen bis auf wenige Ausnahmen in der Geschichte in Kambodschas Tempeln sehr friedlich nebeneinander existieren. Überall stößt man auf buddhistische Altäre die stimmungsvoll geschmückt sind. Die Mönche in ihrer orangen Kleidung laden die Besucher ein, selbst Räucherstäbchen anzuzünden und einige Momente in Ruhe vor den Buddhastatuen zu verharren.

Affe Kambodscha

Der Abend gehört den profanen Dingen. Von einer Mainstream Tourismusburg kann bei Siem Reap zwar noch bei weitem nicht die Rede sein, es gibt aber viele Lokale und Bars. Die Pub Street, der Name steht fürs Geschäft, bietet internationales Nightlife auf kambodschanischem Niveau. Bier für 50 cent, Whisky für 1 Dollar, gemütliche Sessel und die Möglichkeit sich eine Fußmassage nach einem anstrengenden Tag zu gönnen, verleiten einen das eine oder andere Glas über den Durst zu trinken. Das Publikum ist bunt gemischt. Amerikanische Studenten die sich ein paar Wochen Auszeit in Südostasien gönnen, Deutsche, Schweden, Thailänder, Siem Reap ist das Nadelöhr durch das der Tourismusstrom der nach Kambodscha fließt, geleitet wird. Die Einheimischen wissen das zu nutzen. Für drei Dollar kann man sich eine Stunde lang in einem der vielen Massagesalons durchkneten lassen. Zwar gibt es Einkaufszentren, diese sind aber im Verhältnis sehr teuer und daher mehr oder minder leer. Größerer Beliebtheit unter Einheimischen und Touristen erfreuen sich die Märkte. Auf dem Nightmarket werden Kleidung, Schuhe, Taschen, Souvenirs und Schmuck angeboten. Das Highlight des Kitsch ist eine Flasche Wein, in der eine Kobra mit einem Skorpion im Mund schwimmt. Feilschen ist Pflicht, stellt man sich geschickt an kann man die Verkäufer auf die Hälfte herunterhandeln. Dass man dank der günstigen Preise das eine oder andere Stück am Bedarf vorbei kauft und sich schlussendlich in einer Wulst von Einkaufssäcken wiederfindet, braucht nicht erwähnt zu werden.

Kambodschas hässliches Gesicht: Streifzug durch die jüngere Geschichte

Am dritten Tag unserer Reise steht harte Kost am Programm. Neben weiteren Besichtigungen führt unser Weg ins Landminenmuseum Kambodschas. Der ehemalige Soldat Aki Ra, hat nach seiner militärischen Karriere als Minenspezialist das Museum als Anlaufstelle für durch Minen geschädigte Kinder eingerichtet. Nachdem seine Eltern während des Regime der roten Khmer hingerichtet wurden, wurde Aki Ra als Kindersoldat angeworben. Die Kinder, die er nun bei sich aufnimmt, sind oft selbst durch Minen verstümmelt worden oder durch Minen zu Waisen geworden. Die Bauern haben keine Wahl als zu probieren das Land das noch von den Sprengkörpern durchzogen ist, zu kultivieren. Viele Fischer nehmen das Sprengpulver der Minen zum Fischen her. Kinder, die den Anblick der Minen gewohnt sind, missbrauchen diese oft als Spielzeug und sind sich der Gefahr nicht bewusst. Aki Ra sorgt dafür dass die Jungen und Mädchen neben Heim und Familie auch eine Schulausbildung erhalten.

Huette Kambodscha

In den Feldern rund um die Siedlungen befinden sich nach dem jahrzehntelangen Bürgerkrieg noch immer Tausende von Landminen die die verschiedenen Kriegsparteien wahllos verteilt haben. Trotz massiver internationaler Bemühungen gibt es jährlich noch mehrere hundert Minenopfer im Land, bis 2004 waren es sogar noch über 1000 registrierte Fälle im Jahr. Der Ansatz der Landmine ist ein durchaus zynischer: Landminen sollen ihre Opfer nicht töten, sondern verstümmeln. Ein verwundeter und nutzloser Soldat ist für den Feind teurer als ein toter.

Das Museum ist sehr einfach ausgestattet. In dem kleinen, unscheinbaren Haus neben der Strasse werden neben den Sprengkörpern und Granaten vor allem Schicksale ausgestellt. Jedes Kind das in der Mission aufgenommen wird, erzählt seine Geschichte durch die es zu Aki Ra gekommen ist. Die handgeschriebenen Zettel sind keine leichte 08/15 Urlaubslektüre, geben aber einen Einblick in die Vergangenheit und Gegenwart Kambodschas.

Die jüngere Geschichte Kambodschas

1970 wird König Sihanouk von General Lon Nol mit Hilfe der USA gestürzt, weil die Regierung nach Ansicht der USA nicht entschieden genug gegen den Vietkong vorgeht. Kambodscha wird wegen des Ho Chi Minh Pfades, der durch kambodschanisches Gebiet führt, in den Vietnamkrieg mit hineingezogen. 200.000 Menschen sterben bei Bombardements der USA. In dieser Zeit bilden sich aus der kommunistischen Partei heraus die Roten Khmer. Von Vietnam aus beginnt die Gruppe gemeinsam mit Untergrundkämpfern aus der bäuerlichen Schicht einen Bürgerkrieg, der 1975 mit der Machtergreifung der Roten Khmer endet. Die anfängliche Sympathie innerhalb der Bevölkerung, die in den Roten Khmer die Befreier aus dem amerikanischen Grauen emfindet, schlägt bald um.

Das folgende Regime ist wohl das dunkelste Kapitel Kambodschas und mit eines der traurigsten und blutigsten in der Weltgeschichte. Die Roten Khmer setzen sich aus der linksgerichteten Elite des Landes zusammen. Unter Anführer Pol Pot werden Ärzte, Lehrer und andere Intellektuelle umgebracht, wobei es oft schon genügte, Lesen und Schreiben zu können um als intellektuell zu gelten. Das Schulwesen bricht zusammen, es gibt keine Krankenversorgung. Die Stadtbevölkerung wird aufs Land vertrieben und dort zur Arbeit auf den Plantagen gezwungen. Hunger, Krankheit, die Konzentrationslager und Massenhinrichtungen auf den Killing Fields kosteten, die Quellen sind sich hier bis heute nicht einig, zwischen 1,4 und 3 Millionen Menschenleben. Auch außenpolitisch sind die Roten Khmer umtriebig. Ihre Politik der Abkapselung und die damit einhergehende Verfolgung anderer auf kambodschanischem Staatsgebiet lebender Völkergruppen führen schlussendlich dazu dass Vietnam 1979 in einem lediglich zwei Wochen dauernden Krieg das geschwächte Land besetzen und von der Terrorherrschaft befreien.

Die neue Republik Kampuchea unter Heng Samrin wird nur von den Ostblockstaaten anerkannt. Die USA unterstützen im Kalten Krieg weiterhin die Roten Khmer, die von Thailand aus den Bürgerkrieg am Leben halten. Erst 1989 mit dem Zusammenbruch des Ostblocks einigen sich die Parteien um Prinz Sihanouk und Heng Samrin und die Vietnamesen verlassen das Land. Die ersten freien Wahlen 1993 werden von den Roten Khmer boykottiert, das Land steht zwar unter internationaler Beobachtung, von Frieden oder politischer Stabilität kann bis Ende des 20. Jahrhunderts keine Rede sein.

Fluss Kambodscha

Unser Reiseführer erzählt von seinen persönlichen Erlebnissen aus dieser Zeit. Er selbst hat 2 Geschwister verloren. Während des Regimes wurde seine Familie mehrmals zwangsumgesiedelt bevor sie sich nach dem Einmarsch Vietnams in der Nähe von Battambang, der zweitgrößten Stadt Kambodschas niederlassen konnten. In die bestehenden Betonbauten zogen vorerst die Besatzer ein, die Kambodschaner mussten sich vor der Stadt Siedlungen bauen mit dem spärlichen Material das zu haben war. Um zur Schule gehen zu können, musste er sich fünf Jahre jünger machen als er tatsächlich war. Mit 11 Jahren wäre er zu alt für die erste Klasse gewesen, ein Einstieg in eine höhere Schulstufe wäre auch nicht möglich gewesen Das falsche Geburtsdatum steht übrigens heute noch in seinem Pass. Deutsch lernte er bei einem vom kommunistischen Regime unterstützten Programm, durch das er ein Jahr in der DDR studierte. Kambodscha hatte während der Zeit der Roten Khmer und auch jahrelang nachher de facto keine Währung. Bezahlt wurde in Reis, was nicht in Reis bezahlt werden konnte, wurde in Gold bezahlt. Es gab keine Geschäfte, keine Industrie, keine Arbeit. Dass der Lebensstandard in Kambodscha zumindest den Level erreichte den er heute hat, Kambodscha zählt noch immer zu den ärmsten Ländern dieser Welt, ist zum größten Teil der Entwicklungshilfe Chinas und der westlichen Welt zu verdanken.

In Angkor Thom treffen wir auf einen Exilkambodschaner aus der Steiermark, der für das Begräbnis seiner Mutter für zwei Wochen nach Hause zurückgekehrt ist. Er erzählt uns, dass das Land noch weit entfernt von einer echten Demokratie ist. Premierminister Hun Sen von der Volkspartei, hervorgegangen aus der kommunistischen Partei und unterstützt von Vietnam, hat ein Spitzelwesen aufgebaut. Kritik an der Regierung ist nicht erlaubt. Wer sich zu kritisch äußert läuft auch heute noch Gefahr verschleppt zu werden. Die Haupteinnahmequelle des Landes ist noch immer die Entwicklungshilfe von China, das die kommunistische Regierung unterstützt. Sie hält das Volk am Existenzminimum, niemand muss verhungern, die Menschen sind aber zu arm um die Energie aufzubringen über ihre Situation nachzudenken. Die Krankenversorgung ist nicht mal katastrophal, sie ist nicht vorhanden. Fernab der Städte gibt es noch Medizinmänner. Wer es sich leisten kann, geht in eine Apotheke und holt sich hier direkt Medikamente. Bei gröberen Beschwerden, wenn der Weg zum Doktor unausweichlich ist, muss oft das gesamte Vieh einer Familie verkauft werden um den weiten Weg ins nächste Krankenhaus zu bezahlen. In den Städten hat die Opposition die Volkspartei teilweise schon überholt, am Land ist es für die Regierenden ein Leichtes die Meinung des Volkes dank mangelnder Information unter Kontrolle zu halten. In jedem Dorf lacht einem Premierminister Hun Sen entgegen, hier hat die Opposition keine Chance die Menschen anzusprechen.

Umso bewundernswerter ist die positive Einstellung der Bevölkerung sowohl Fremden gegenüber wie auch die eigene Zukunft betreffend. Nicht nur im etwas wohlhabenderen Siem Reap, auch als wir in einem kleinen Dorf außerhalb der Stadt Halt machen, gewinnt man nicht den Eindruck der Unzufriedenheit. Überall werden wir freundlich empfangen. Die Siedlung besteht aus Wellblechhütten, Pfahlbauten aus Holz, Verkaufsständen an denen Benzin und anderer Krims Krams angeboten werden und Mopeds. Haustiere wie Hunde, Rinder und Hennen laufen zwischen den Gebilden herum. Als wir im Dorf stehen und die Einheimischen begaffen, fühle ich mich dann doch ein wenig unwohl. Ist es richtig Menschen wie Zootiere zu fotografieren und den Kindern Süßigkeiten, Seife und Kaugummis zu schenken? Andererseits: ist es falsch? Die Freude über die kleinen Geschenke ist ehrlich, man kauft die Waren wie den selbstgemachten Palmenzucker und selbstgeschnitzte Gebrauchsgegenstände wie Löffel oder Teller, um Almosen werden wir aber nur in den seltensten Fällen angebettelt. Die Megastadt Bangkok die nur einige hundert Kilometer entfernt liegt ist das genaue Gegenteil. Big Business. Westlicher Standard. Mittelklassewagen säumen die vierspurigen Highways. Der Konsum spielt hier die erste Geige. Wer es schafft den Himmel zu sehen zwischen den Wolkenkratzern muss schon weit oben in der Chefetage sitzen. Die Luftqualität ist eine Katastrophe, der Lärm unerträglich. Lächeln sieht man hier niemanden. Und doch, Thailand wird als wohlhabend betrachtet. Ein Reisebericht ist vielleicht nicht der geeignete Ort für eine philosophische Betrachtung dieser Art, die Beobachtung dieser armen Menschen lassen unsere Definition von Wohlstand in einem anderen Licht erscheinen.

Alltag in Kambodscha

Zurück im Bus erfahren wir mehr über das tägliche Leben der Khmer. 60% der Bevölkerung lebt vom Reisanbau, 20% vom Fischfang. Nur etwa 2 von 14 Millionen leben in Städten. Die Khmer sind ein genügsames Volk, deshalb befinden sich Handel und das bisschen Industrie wie die Textilverarbeitung größtenteils der Hand der strebsameren vietnamesischen und chinesischen Siedler. Am Land ist die Familie noch sehr wichtig. Vielfach wird die Ehe von den Eltern noch arrangiert. Ist der Sohn zwischen 18 und 22, sucht die Mutter des Mannes nach einer geeigneten Ehefrau. Beim ersten Treffen der Eheleute ist oft die ganze Sippe mit dabei. Der Hochzeitstag wird von einem Astronomen berechnet, das soll Glück und Beständigkeit garantieren.
Bootsfahrt am Tonle Sap

schwimmende dörfer tonle sap

Nach 4 Tagen heißt es Abschied nehmen von Siem Reap. Die letzte Nacht unserer Reise verbringen wir in Battambang, der zweitgrößten Stadt Kambodschas. Die Reise dorthin erfolgt mit dem Boot über den Tonle Sap, dem größten Binnengewässer Südostasiens. Anfang November, direkt nach der Regenzeit, hat der Tonle Sap seine größte Ausdehnung. Man merkt es kaum wenn man den eigentlichen See verlässt und sich den Weg ins geflutete Festland bahnt. Die Fahrt ist ein Erlebnis, der Tonle Sap hat nichts mit Seen wie wir sie kennen zu tun. Unsere Kapitäne, zwei junge Burschen, verirren sich mehrmals im dichten Gewirr aus Wasserstraßen, Bäumen und Gestrüpp. Das Boot passiert die schwimmenden Fischerdörfer. Kinder und Erwachsene winken uns freundlich wie gewohnt von ihren Booten und Häusern aus zu. Diejenige,n die es sich im Inneren des Bootes gemütlich gemacht haben, müssen immer wieder von ihren Sitzen aufspringen wenn an den engen Stellen die Äste der Sträucher. Ich habe es mir am Dach des Bootes bequem gemacht und darf mich nach sieben Stunden auf See über einen Sonnenbrand freuen.

Battambang

Der Bus der uns vom Boot abholt, schafft es kaum durch die engen Gassen an den Baracken vorbei. Der Dreck in diesem Ghetto steht im krassen Gegensatz zu den blütenweißen Schuluniformen der Schüler die sich gerade am Heimweg befinden. Das Stadtzentrum ist ein belebter Markt. Unzählige Mopeds parken vor den Ständen in einem wirren Chaos. Die Uferpromenade am Sangker ist breit, aber nicht beleuchtet. Um spätestens schließt in Battambang das letzte Geschäft. Die wenigen Restaurants und Bars sind noch nicht auf Touristen eingestellt. Von Siem Reap waren wir gewohnt uns mit Englisch tadellos unterhalten zu können, hier schaut es anders aus. Kaum jemand kann eine Fremdprache gut genug um Konversation zu betreiben. Nachdem wir ein wenig durch die menschenleeren Straßen spaziert sind, finden wir Platz in einem Cafe. Wir haben die spärliche Wahl zwischen Bier, Cola und einem Pineappleshake. Die drei Kellnerinnen im ansonsten vollkommen leeren Lokal sind sehr bemüht, aber noch tollpatschiger als es die Kellner in Siem Reap. Nach einem Getränk beschließen wir den etwas ernüchternden Abend an der Hotelbar ausklingen zu lassen. Battambang mag zwar ursprünglicher als Siem Reap sein, wirklich etwas zu sehen bietet es aber nicht nach Einbruch der Dunkelheit.

Unser letzter Tag in Südostasien ist geprägt vom Reisestress. Nach acht Stunden im Bus erreichen wir Bangkok. Nach fünf Tagen zwischen Tempeln und Baracken, Geschichte und Geschichten hat uns die westliche Welt wieder. Der stinkende, laute und quirlige Moloch Bangkok ist die harte Landebahn einer Südostasienreise die uns einige Tage in eine fremde Welt versetzt hat. Es bleibt zu hoffen dass Kambodscha es schafft die Probleme die das Land noch immer fest in der Hand haben, abzuschütteln ohne seinen Charme und seine Authentizität zu verlieren.